Eine kurze Geschichte von Burg und Herrschaft Frankenstein
Dr. Erich Kraft, Geschichtsverein Darmstadt-Eberstadt
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Sagen und Märchen, Wahres und Unwahres, Vorstellungen von romantischer Ritterherrlichkeit bis hin zu Gespenstergeschichten, all das rankt sich um das gut 750 Jahre alte Gemäuer der Burg Frankenstein. Die auf auf hartem Fels errichtete Burg war einige Jahrhunderte lang der Mittelpunkt einer kleinen Herrschaft unter dem uradeligen Geschlecht derer von und zu Frankenstein. Diese aus dem Odenwald stammende Adelsfamilie blüht noch heute, und sie hat ganz und gar nichts zu tun mit jenen Schauergeschichten, die sich für so manchen Besucher mit dem Namen „Frankenstein“ verbinden.
Ein Roman und allerlei Märchen
Zwar suchen Jahr um Jahr Scharen von Touristen nach den Spuren irgendwelcher Monster auf der Burg, Publikationen und sogar in -und ausländische Fernsehsender verbreiten eifrig und geschäftstüchtig solche Märchen, allein, das Monster des „Doktor Frankenstein“ entspringt lediglich der dichterischen Eingebung von Mary Shelley, einer englischen Schriftstellerin. Ihr Roman „Frankenstein oder der neue Prometheus“ berichtet von einem besessenen Wissenschaftler namens Viktor Frankenstein, der aus Leichenteilen einen künstlichen Menschen erschuf. Zwar hat die Dichterin zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Schiffsreise auf dem Rhein unternommen und darüber ein Tagebuch verfaßt, doch erwähnte sie den Frankenstein mit keinem einzigen Wort. Es ist auch höchst unwahrscheinlich, daß sie die Burg überhaupt gesehen, geschweige denn besucht hätte. Die Vorbeireise auf dem 20km entfernten Rhein geschah mitten in der Nacht, und selbst bei Vollmond konnte man die Burg damals nicht erblicken. Die heute herausragenden Türme waren zu ihrer Zeit bis zur halben Höhe verfallen und von dichtem, hochstämmigem Wald umgeben.
Es bleibt freilich die Frage, wie Mary Shelley auf den Namen „Frankenstein“ kam. Im Roman selbst wird die Burg weder erwähnt noch kommt sie in der Handlung vor. Viel wahrscheinlicher ist, daß die Schriftstellerin hier ein Wortspiel mit dem Namen des damals bekannten Wissenschaftlers Benjamin Franklin treibt, der in der Tat – im Roman sehr entscheidend – elektrische Experimente unternommen hatte. Auch andere Schauergeschichten um die Burg, etwa von einem Alchimisten, der dort geheimnisvolle Versuche durchgeführt haben soll, halten einer seriösen historischen Forschung nicht stand. Sicher ist nur, daß die umliegenden Dorfbewohner sich zu keiner Zeit vor einem mordlustigen Monster oder sonstigen Gespenstern fürchten mußten.
Angesichts heutiger Ruinen darf man auch nicht auf einstmalige Raubritterkämpfe oder kriegerische Handlungen schließen. Zu keiner Zeit war die Burg in Belagerungen verwickelt, keine kriegerischen Zerstörungen fanden statt. Man ließ sie ganz einfach verfallen, nachdem sie 1662 unversehrt an Hessen gekommen war. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts ließ der hessische Großherzog Ludwig III. den noch vorhandenen Ruinenbestand vor weiterem Verfall sichern und die beiden Türme wiederherstellen
Ein Rundgang in der Burg
Kommt man heute zur Burg, so verweist die Jahreszahl 1861 über dem westlichen Eingangstor auf diese Burgrestaurierung. Die gesamte Burganlage ist in gut zu unterscheidende Abschnitte gegliedert, die auch jeweils verschiedenen Bauzeiten angehören. Der älteste Teil ist die südliche Kernburg, die von mächtigen, schon vor 1250 errichteten Mauern mit Zinnen und Wehrgängen geschützt ist. Hier drängten sich die meist in Fachwerkbauweise erstellten Wirtschafts- und Wohngebäude um einen engen Hof. Die dicken Außenmauern dieser Häuser bildeten zugleich die Begrenzung der Kernburg. Nach Süden, dem heutigen Parkplatz zu, sind noch die tief in den Fels gehauenen „Halsgräben“ zu sehen. Zwischen diesen Verteidigungslinien errichtete man noch als letztes Befestigungswerk zur gefährdeten Südseite hin den Pulverturm, in dessen Untergeschoß man nur von der Burgseite über einen Zugang gelangen konnte. Das Geschoß deckten dicke Bohlen ab, was durch die Auflagesteine noch heute sichtbar ist. Das Obergeschoß schließlich blieb nach der Burgseite hin offen, um den Feinden dort ein gesichertes Festsetzen nach einer Eroberung unmöglich zu machen. Um die alte Kernburg bauten die Frankensteiner später eine weitere starke Ringmauer, die den Zwinger umschloß. Der noch heute stehende Torturm nach Norden war lange der eindrucksvolle Haupteingang zur eigentlichen Burg.
Um das Jahr 1400 erweiterte man die Burg um die Vorburg, gleichfalls von einer starken Wehrmauer umgeben. Nun konnten die Wirtschaftsgebäude und Gesindewohnungen nach Norden in die Vorburg verlegt werden, wodurch endlich mehr Raum für die wachsende Zahl der Burgbewohner entstand.Während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlebte die Burg eine ausgedehnte Bautätigkeit, mit der die Anlage ihre endgültige Ausprägung bekam.Von sämtlichen Gebäuden der Vorburg steht außer der 1450 durch den älteren Stamm Frankenstein errichteten Kapelle heute nichts mehr.
Der um 1400 errichtete Torturm schützte den Eingang zur Kernburg. Heute ist der einstmalige Graben davor zugeschüttet, doch sind im Turm noch die Rollen und Auflagesteine für die Zugbrücke gut zu sehen.Über dem Tor ist das Wappen der Herren von Frankenstein zu erblicken mit rotem Beileisen auf goldenem Feld. Der dort ebenfalls angebrachte Turnierhelm läßt zwei Schwanenflügel erkennen als Hinweis auf die Herren von Sachsenhausen, deren Rechte durch Erbgang an die Frankensteiner gelangten. Der obere Teil des Torturmes mit seinem spitzen gotischen Dach ist deutlich als wiederaufgebautes Stück zu erkennen. Besonders bei den verwitterten Sandsteinfriesen an den Fenstern ist die Grenze zwischen dem erhaltenem Gemäuer des 14. Jahrhunderts und der späteren Rekonstruktion augenfällig.
Lange hielt man diese erst um 1890 aufgesetzten Turmhelme für einen mißlungenen Wiederherstellungsversuch. Für Teile der Kernburg und besonders für den dortigen Turm und seine Umgebung gilt das auch. Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt befindet sich eine Zeichnung von Franz Schütz, die als einzige die Burg vor ihrem Zerfall nach 1780 zeigt. Dort ist zu sehen, daß der wieder aufgebaute Torturm die einstige Gestalt doch recht gut wiedergibt. Auch war der Turm auf der Rückseite schon immer offen. Falls es Feinden nämlich gelungen wäre, diesen einzunehmen, so konnten sie von der Kernburg aus weiterhin beschossen werden. Ein Festsetzen war ihnen hier also unmöglich, da die Deckung fehlte.
Ein kleiner Weg, einst ebenfalls eine Zugbrücke, führt uns nun durch den ehemaligen Zwinger mit seinen früheren Gärten zum ältesten Burgteil. Von dieser Kernburg stehen freilich nur noch die Ruinen der Westseite nach Eberstadt hin. Gegenüber standen ähnliche Gebäude, deren Fachwerkwände samt der massiven Außenmauern völlig dem Erdboden gleichgemacht wurden. Den eigentlichen Eingang zur Kernburg verwehrte ein weiteres, stark befestigtes Torhaus, von dem ebensowenig mehr steht. Denkt man sich alle diese Gebäude, so kann man ermessen, wie außerordentlich eng der innere Burghof war.Freilich hatte eine mittelalterliche Burganlage auch nicht der Bequemlichkeit zu dienen, sondern allein der Verteidigung gegenüber Angreifern und dem Schutz ihrer Bewohner. Einen Bergfried, also einen großen zentralen Turm, hatte dieser älteste Burgbereich nicht, der Platz reichte einfach nicht dazu aus. Der heute die Ruinen überragende Turm war ein Wohnturm, um den sich die anderen Gebäude gruppierten. Das ehemalige massiv gebaute Herrenhaus (Palas) mit vorspringendem Treppenturm ist noch zu erkennen.
Im hinteren Burghof stand das Brunnenhaus. Der mittelalterliche Brunnen ist noch erhalten, heute allerdings zugedeckt. Er wurde 2007 leergepumpt und eingehend untersucht. Die letzte Frage, ob es eine natürliche Wasserader oder eine Zisterne war, konnte aus Geldmangel freilich nicht mehr geklärt werden.
In halber Höhe des Wohnturmes ist an seiner südöstlichen Ecke eine Steinplatte angebracht mit der Inschrift „Anno domini 1528. Zu got stet min tru.“ (Im Jahre des Herrn 1528. Zu Gott steht meine Treue.) Philipp IV. von Frankenstein wollte hiermit vermutlich seine Treue zum katholischen Bekenntnis ausdrücken, nachdem Landgraf Philipp der Großmütige zwei Jahre zuvor die Reformation eingeführt hatte und nun die kleinen Ritterherrschaften drängte, dies gleichfalls zu tun. In einem Fensterfries nebenan befindet sich noch die Jahreszahl 1527. Sie weist uns auf das Jahr hin, mit dem eine umfangreiche Bauzeit der Burg ihren Abschluß gefunden hatte.
In der Kapelle sind drei Grabdenkmale aufgestellt, die ursprünglich in den Kirchen von Eberstadt und Nieder-Beerbach standen. Großherzog Ludwig III. von Hessen ließ diese 1851 auf die Burg bringen, um sie vor weiterem Schaden zu bewahren. Begräbnisstätte für die ältere Linie Frankenstein war die Eberstädter und für die jüngere Linie die Nieder-Beerbacher Kirche. In der Eberstädter Kirche ist die Gruft samt vieler Grabdenkmale endgültig erst 1910 durch Umbaumaßnahmen zerstört worden. Einzig das Grabmal Johanns I. (gestorben 1401) ist dort in der Kirchenwand eingemauert noch vorhanden.
Das Grabmal links in der Burgkapelle, stellt Hans IV. und seine Frau Irmela von Cleen dar. Sie knien hintereinander, anbetend dem Altar zugewandt. Hans und Irmela wohnten von 1508 bis 1532 im Schloß derer von Cleen in Ockstadt bei Friedberg. Sie brachte 13 Kinder zur Welt. Irmela starb 1532 und bald nach ihr Vetter Philipp vom jüngeren Stamme. Witwer Hans IV. kehrte deshalb von Ockstadt in die nun herrenlose Burg zurück und übernahm mit der Herrschaft auch die Auseinandersetzungen mit den hessischen Landgrafen. Zwar hielt Hans am überlieferten katholischen Glauben fest, doch der Einführung der Reformation konnte er nicht länger Widerstand entgegensetzen. 1542 führte er in seiner Eigenschaft als Kirchenherr den ersten evangelischen Pfarrer von Eberstadt in sein Amt ein. 1558 starb Hans auf seinem Gut in Oppenheim am Rhein.
Das Grabmal gegenüber zeigt Ludwig IV. und seine Frau Katharina, geborene von Rodenstein. Auch sie waren in Eberstadt begraben. Da deren Ehe kinderlos blieb, erlosch 1606 mit dem Tode Ludwigs der ältere Stamm Frankenstein. Den Letzten des jüngeren Stammes, Philipp Ludwig, stellt das große Denkmal rechts des Eingangs dar. Er verunglückte schon 1602 im Alter von 21 Jahren, als er mit der Kutsche, wohl zu schnell, nach Seeheim fuhr.
Herrschaft und Familie Frankenstein
Die im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrte Urkunde von 1252 ist der erste und einzig erhaltene originale Beleg für die Erwähnung einer Burg auf dem Frankenstein. Natürlich ist die Burg nicht erst in diesem Jahr gebaut worden. Vielleicht gab es auch schon in früherer Zeit einen Herrensitz auf diesem Berg und auch in Nieder-Beerbach . Doch vor 1252 taucht der Name „Frankenstein“ im Zusammenhang mit der hiesigen Burg nicht auf. Vermutungen auf ein wesentlich älteres Entstehungsjahr des Frankensteins sind jedenfalls nicht belegbar.
Ein Herr Konrad II. Reiz von Breuberg und seine Gemahlin Elisabeth von Weiterstadt urkunden 1252 „super castro in frangenstein“ (auf der Burg am Frankenstein). Beide Eheleute gehörten angesehenem Uradel an. Konrad entstammte als Herr von Breuberg der gleichnamigen Burg im hinteren Odenwald. Er erhielt die Ländereien und Dörfer an der Bergstraße durch seine Heirat mit Elisabeth von Weiterstadt. Beider Söhne nannten sich fortan Herren von und zu Frankenstein und begründeten damit das noch heute bestehende Geschlecht.
Die Frankensteiner waren die Obrigkeit in den Dörfern Eberstadt, Nieder-und Ober-Beerbach, Schmalbeerbach, Stettbach, Allertshofen und sogar Bobstadt im Ried. Dort waren sie die Ortsherren, Gerichtsherren und vor allem auch die Kirchenherren. Sie ernannten die örtlichen Schultheißen, die in ihrem Namen den jeweiligen Ortsgerichten vorstanden und für die dörfliche Verwaltung sorgten. Sie bestellten die Pfarrer und prüften die kirchliche Verwaltung und die Kirchenkasse. Besonders am Recht als Kirchenherren hielten die Frankensteiner lange und zähe fest, auch noch, als die Reformation 1542 auf Druck des übermächtigen Landgrafen von Hessen in der Herrschaft eingeführt wurde. Die katholischen gebliebenen Frankensteiner übten auch über die evangelischen Kirchen ihres Gebietes ungeschmälert ihre Aufsichtsrechte aus. Den Dorfkirchen von Eberstadt und Nieder-Beerbach kam hierbei eine besondere Rolle zu, denn dort hatten die Herren ihre Familiengruft, die ältere Linie in Eberstadt und die jüngere Linie in Nieder-Beerbach. In diese beiden Stämme teilte sich nämlich im 14. Jahrhundert die Familie, wobei man die Burg gemeinsam bewohnte. Um ja keine Streitigkeiten aufkommen zu lassen, wurde in einem Burgfrieden von 1363 genau beschrieben, was jedem Stamm gehörte. Burg und Herrschaft wurden sodann entsprechend aufgeteilt.
Von Anbeginn konnten die Frankensteiner ihre Herrschaftsstellung allerdings nicht völlig unabhängig ausüben. Für eine freie, selbständige Herrschaft war an der Bergstraße im 13. Jahrhundert kein Platz mehr. Vielmehr mußten sie sich früh mächtigeren Oberherren unterordnen. Schon 1292 begab sich Friedrich von Frankenstein in die Lehnsabhängigkeit des Grafen Wilhelm von Katzenelnbogen, dem späteren Stadtgründer Darmstadts. Dem Grafen wurde das Öffnungsrecht der Burg eingeräumt, wodurch er sich ihrer im Kriegsfalle bedienen konnte.
Ein Reichslehen, also niemandem untertan zu sein außer dem Kaiser, das war die Burg ursprünglich wohl nicht gewesen, denn eine zweite Urkunde einige Jahre später betonte ausdrücklich die Lehensabhängigkeit von den Katzenelnbogenern. Gewiß war diese Verbindung für die Frankensteiner auch von Vorteil, wie man überhaupt das Lehnswesen zweiseitig sehen muß. Der Lehnsmann, in diesem Falle der Frankensteiner, leistete dem Lehnsherrn Dienst und Treue. Dafür war der Lehnsherr zu Schutz und Schirm seinem Getreuen gegenüber verpflichtet. Die Frankensteiner besaßen darüber hinaus noch weitere Besitz- und Herrenrechte als Burgmann in Zwingenberg (Schloß Auerbach), Darmstadt, Groß-Gerau (Dornberg) und andernorts. 1433 reiste Graf Philipp von Katzenelnbogen mit seinem Lehnsmann Konrad von Frankenstein bis ins Heilige Land.
In einer günstigen politischen Lage erreichten die Frankensteiner 1402 dann doch die Anerkennung der Burg zusammen mit Nieder-Beerbach als Reichslehen. Dieses Gebiet blieb fortan reichsfrei und keinem anderen Herrn untertan als dem Kaiser. Es war hierdurch vor jedermanns Zugriff rechtlich gefreit. Das übrige Territorium der Herrschaft unterlag dagegen weiterhin dem Einfluß der mächtigeren Landesherren, zunächst den Grafen von Katzenelnbogen und ab 1479 den Landgrafen von Hessen. Diesen allein oblag auch die höhere Gerichtsbarkeit und die Landesverteidigung.
Streit mit den Landgrafen von Hessen
Es lag also auf der Hand, daß es über die Abgrenzung der jeweiligen Hoheitsrechte immer wieder zu Streitigkeiten kam. Einmal war es die Erhebung des Weinzolls oder die gewaltsame Einsetzung eines hessischen Zöllners in Eberstadt, ein andermal ging es um den Feld- und Waldbesitz, um das Jagen und Fischen oder gar darum, daß frankensteinische Untertanen mit Gewalt zu Frondiensten und steuerlichen Abgaben für den hessischen Landgrafen gezwungen wurden. Die Schwierigkeiten verstärkten sich mit der Einführung der Reformation und erst recht, als ab 1567 die hessischen Landgrafen Darmstadt zu ihrer Residenz machten und auf die kleine, ausgerechnet „vor ihrer Nase“ liegenden Ritterherrschaft aus einen wachsenden Druck ausübten. Fortwährend versuchten die Landgrafen in frankensteinische Zuständigkeiten und Rechte einzugreifen, um die Ritter allmählich mürbe zu machen. Den Frankensteinern blieb da nichts anderes übrig, als sich lange und zähe mit den Mitteln des Rechtes zu wehren.
Der Widerstand ließ freilich merklich nach, als 1602 und 1606 die beiden auf der Burg ansässigen Hauptlinien, der jüngere und der ältere Stamm, ausstarben. Die im oberhessischen Ockstadt bei Friedberg wohnende Verwandtschaft gab schließlich dem landgräflichen Druck nach. Zwar hatte Großonkel Ludwig IV. in seinem Testament von 1605 noch eindringlich gemahnt, „das Schloß Frankenstein samt seinen Zugehörigkeiten nimmermehr an das Haus Hessen gelangen zu lassen“, doch nach dem vergeblichen Versuch‚ Kurmainz für die frankensteinischen Territorien zu interessieren, verkauften die Herren von Frankenstein ihre Stammburg und die gesamte Herrschaft im Jahre 1662 an die Landgrafen von Hessen. Schon einige Jahrzehnte waren Teile ihres Ländchens durch Erbschaft an die Schönberger Grafen gegangen (Schönburg bei Oberwesel am Rhein) und über diese anschließend auch an Hessen.
Insgesamt brachte der Landgraf 109000 Gulden auf, eine für die damalige Zeit außerordentlich hohe Summe. Ihm war aber offensichtlich nichts zu teuer, um dieses kleine ritterschaftliche Ländchen endlich zu erwerben. Sogar die Zustimmung des Kaisers, sicher auch nicht gerade billig, wurde eingeholt, denn da es sich teilweise um reichs-freies Gebiet handelte, mußte der Kaiser mit dem Verkauf einverstanden sein. Mit dem Verkaufserlös erwarben die Frankensteiner eine Herrschaft samt schönem Barockschloß im mittelfränkischen Ullstadt, wo das Geschlecht noch heute blüht.
Die Burg verfällt
Die Burg befand sich 1662 beim Verkauf an die Landgrafen von Hessen-Darmstadt noch in wohnlichem Zustand. In den Jahrzehnten danach setzte aber eine unvorstellbare Verwüstung und Zerstörung ein, da den neuen Eigentümern der Burg an ihrer Erhaltung offenbar wenig lag. Die Burg hatte als Sitz und Zeichen von Herrschaft nun keine Bedeutung mehr.
Zunächst diente sie als Militär-Invalidenanstalt, danach, bei den Eroberungskriegen des französischen Königs Ludwig XIV., bot sie vielen Menschen einen sicheren Zufluchtsort. Jahrzehnte später kam das Gerücht von verborgenen Schätzen in der Burg auf. Um ihrer habhaft zu werden, riß man Wände und Fußböden ab und grub unterirdische Gänge, was zum Einsturz von Mauern und Kellerdecken führte. 100 Jahre nach dem Wegzug der Frankensteiner war die Vorburg schon weitgehend verfallen. Dort wurde 1765 auf den erhaltenen Grundmauern ein Forsthaus mit Gastwirtschaft, Scheune, Stall und anderen Nebengebäuden errichtet. Die letzten Reste werden genau 200 Jahre darauf auch noch abgerissen, um der 1965 erbauten neuen Burggaststätte Platz zu machen.
Die Kernburg freilich stand in der Mitte des 18. Jahrhunderts noch, nur sehr schadhaft, denn irgendwelche Reparaturen wurden völlig unterlassen. Verantwortlich für die weitgehende Zerstörung war erst eine gewisse Eulerin, die verlassene Gattin des Burgverwalters. Sie verhökerte das gesamte Inventar zugunsten ihrer eigenen Tasche, und nahm eine gründliche Ausschlachtung vor. Nicht nur die vielen Herde, die gußeisernen Ofenplatten, Türen, Schlösser und Fenster und alle Einrichtungen wurden entfernt, die Eulerin verkaufte auch das Blei von den Dächern, die Ziegel und hölzernen Treppen. Selbst ein neues Holztor wurde nicht verschont. Den Rest besorgten die Bauern der Nachbardörfer, indem sie die Burg als billigen Steinbruch benutzten. Stiche des Darmstädter Hofmalers Primavesi von 1819 lassen diesen trostlosen Zustand erkennen.
Die erwachende Burgenromantik des 19. Jahrhunderts ließ dann wieder Interesse am Frankenstein aufkommen, und man begann mit einer nicht sehr gelungenen Restaurierung der noch vorhandenen Teile, die dem früheren Aussehen in weiten Teilen nicht entsprach. Die erst um 1890 aufgesetzten Turmdächer gerieten zu steil, der Nordturm wurde sogar um ein Stockwerk erhöht, und eine Haube auf dem südlichen Turm hat es vermutlich nie gegeben. Es spricht vieles dafür, daß der Südturm immer offen mit Zinnen war, allenfalls ein niedriges Wetterdach darf man annehmen.
Keller und andere Grundmauern wurden eingeebnet und Treppenaufgänge so verkehrt angelegt, daß leider noch viele erhaltene Spuren zusätzlich verwischt wurden. Die noch sichtbaren Anbauten, Feuerstellen, Backanlagen und Stockwerkshöhen gingen dadurch verloren. Wir müssen uns klar sein, daß der Frankenstein das Bild mit den markanten Türmen, so wie wir es heute kennen, gerade mal seit hundert Jahren hat. Über 600 Jahre sah die Burg dagegen anders aus.
Die Frankensteiner heute
Am Anfang der langen Geschichte der Familie Frankenstein stehen Konrad II. von Breuberg und Elisabeth von Weiterstadt, deren Nachkommen sich fortan nach dem Burgberg „von und zu Franckenstein“ nannten. Heute, 340 Jahre nach dem Weggang vom Stammsitz, leben die Nachfahren im mittelfränkischen Ullstadt. Es sind mehr als 20 Generationen, welche die gegenwärtigen „Frankensteiner“ von ihrem Stammvater aus dem fernen 13. Jahrhundert trennen. Nach Übernahme der Herrschaft in Ullstadt bestätigte Kaiser Leopold I. die reichsunmittelbare Stellung der Familie und erhob sie 1670 zu Reichsfreiherren, einen Titel, den die Familie seither führt. Philipp Anton von Franckenstein wurde 1746 Fürstbischof von Bamberg, und im 19. Jahrhundert nahm Georg Arbogast gar Einfluß auf die Reichspolitik. Als Reichstagsabgeordneter des katholischen Zentrums war er Schöpfer der sogenannten „Franckensteinischen Klausel“, eines wichtigen Finanzgesetzes im Kaiserreich bis 1918.
Mit dem Urenkel dieses Georg Arbogast sind wir nun beim heutigen Namesträger, dem 1939 geborenen Moritz Freiherr von und zu Franckenstein, verheiratet mit der ungarischen Gräfin Gabriella Zichy zu Zich und Vasonkeö. Sechs Kinder entstammen der Ehe, fünf Buben und ein Mädchen. 2002 feierte die ganze Familie gemeinsam mit den Eberstädtern und Nieder-Beerbachern das 750jährige Jubiläum der Burg.
Halloween, Spuk und Gespenster auf Burg Frankenstein in den Tagen um Allerheiligen
von Heinrich Tischner
Das ist kein keltisches Fest, sondern altes deutsches Brauchtum. Es ist gar nichts Neues an diesem amerikanischen Import: Maskenumzüge, Kürbis- und Rübenköpfe, Heischegänge – Bräuche zu verschiedenen Terminen in unseren Landen, aber kein Zusammenhang mit Allerheiligen.
Der Name Frankenstein in alten Dokumenten
(aus: Hess. Ortsnamenbuch, Wilhelm Müller, 1937):
1252 Frangenstein
1343 Frankinstein
1420 Franckenstein
1439 Frangkstein
1467 Franckenstein
1488 Franckstein
1662 Franckhenstein
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